„Ein absoluter Irrweg“

Vier Ex-Familienministerinnen gegen Betreuungsgeld

  • von  Jochen Wiemke
    01.09.2012
  • Beiträge [Partei]

Ex-Familienministerinnen: Betreuungsgeld schadet Kindern und Müttern (Bild: dpa)

Es passiert selten, dass sich ehemalige Bundesminister in der Öffentlichkeit zur Politik ihrer Nachfolger äußern. Jetzt warnen mit Rita Süssmuth, Ursula Lehr (beide CDU), Christine Bergmann und Renate Schmidt (beide SPD) gleich vier Ex-Familienministerinnen öffentlich davor, das geplante Betreuungsgeld einzuführen. „Wir waren uns unisono einig“, sagt Schmidt zum gemeinsamen Aufruf.

Vor kurzem trafen sich die Ex-Familienministerinnen Renate Schmidt und Ursula Lehr. Sie sprachen über das von ihrer Nachfolgerin, Familienministerin Kristina Schröder (CDU), geplante Betreuungsgeld. Ihr Urteil muss verherrend ausgegangen sein. Jedenfalls wurde bei dem Gespräch die Idee zu einem gemeinsamen Aufruf gegen das Betreuungsgeld geboren - es wurden weitere Ministerinnen kontaktiert. „Wir waren uns unisono einig. Es ist alles sehr schnell und einfach abzustimmen gewesen“, so Schmidt.

Am Donnerstag melden sich nun die vier Ex-Ministerinnen in der „Zeit“ zu Wort, „weil wir besorgt sind“. Lehr, Süssmuth, Schmidt und Bergmann führten nacheinander von 1985 bis 2005 in den Kabinetten von Helmut Kohl und Gerhard Schröder das Bundesfamilienministerium. 

Bildungs-, integrations- und gleichstellungspolitische Bankrotterklärung

Sie kritisieren das Betreuungsgeld als eine falsche Weichenstellung, die auf Jahre die Chancen von Kindern und Frauen verschlechtert. Sie sehen in dem Vorhaben der Regierungskoalition ein Hemmnis für gute Bildung, einen Stolperstein für die Integration und eine Falle für Frauen.

Gegenüber SPD.de sagte Renate Schmidt: „Es geht in die falsche Richtung - es geht gegen alles, was in der Familienpolitik in den letzten zehn, fünfzehn Jahren auf den Weg gebracht worden ist. Wir haben heute keine Wahlfreiheit - und das nicht, weil es kein Betreuungsgeld gibt, sondern weil es nach wie vor nicht genügend gute und nicht viele Kindertagesstätten für die "Unter-Dreijährigen" gibt. Aber auch für die "Über-Dreijährigen" gibt es nicht genug. Wahlfreiheit ist erst dann gewährleistet, wenn dieses Dilemma beseitigt ist - und da haben wir kein Geld für das Betreuungsgeld.“

In dem Aufruf appellieren die Ex-Familienministerinnen deshalb an die Bundesregierung, die für das Betreuungsgeld eingeplanten Mittel in diesen Bereich zu investieren und auf das geplante Betreuungsgeld zu verzichten.

Schmidt ergänzt, dass das Betreuungsgeld bildungspolitisch fatal für Kinder aus sozial schwächer gestellten Familien und Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund sei. Aus Skandinavien wisse man, dass gerade diese Familien häufig ihre Kinder aus den Kindertagesstätten herausnehmen würden, um das Betreuungsgeld zu erhalten. „Und das in einem Alter, in dem Kinder schnell und besonders gut von ihren Spielkameradinnen und ihrer Umgebung Deutsch lernen würden.“