Vom hohen Wert des sozialen Zusammenhalts

Straßenkreuzer-Sonderführung zeigt Armut und Ausgrenzung, Obdachlosigkeit und Drogensucht aus Sicht Betroffener auf

  • von  Gabriela Heinrich
    08.09.2017
  • Beiträge [Partei], Bundestag, Gabriela Heinrich

In einer Sonderführung des Sozialmagazins „Straßenkreuzer“ stellten sich die Nürnberger SPD-Bundestagsabgeordnete Gabriela Heinrich und ihr Kollege Uli Grötsch, Mitglied im Innenausschuss des Bundestages und Generalsekretär der BayernSPD, gemeinsam mit zahlreichen Interessierten einem aktuellen Thema mit Brisanz: der Situation von Obdachlosen und Drogenabhängigen am Nürnberger Hauptbahnhof.

Es wurde aber nicht über sie, sondern mit ihnen über ihre Lage und Auswege aus dieser gesprochen. Die Straßenkreuzer-Mitarbeiter Klaus Billmeyer und Markus Wellein führten die Gruppe zu sozialen Brennpunkten im Bahnhofsbereich und berichteten eindrücklich vom Alltagsleben auf der Straße: der Suche nach Rückzugsmöglichkeiten im öffentlichen Raum („nur mal 5 Minuten alleine sein können in einem Foto-Automat“), der großen Bedeutung von Anlaufstellen wie der Bahnhofsmission („sie bieten Schutz, das Leben als Obdachloser ist gefährlich“) und vom hohen Wert des sozialen Zusammenhalts („der Straßenkreuzer gibt uns mit den Stadtführungen eine sinnvolle Aufgabe, die dem Selbstwertgefühl sehr gut tut“).

Beim sehr offenen Gespräch konnten die TeilnehmerInnen alle Fragen ohne Scheu stellen und bekamen ehrliche, selbstkritische und nachdenkliche Antworten auf Fragen nach den Gründen und Auswegen aus Obdachlosigkeit und Sucht. Auch eine Wunschliste an die Politik hatten die Stadtführer im Gepäck:

Hinsichtlich der Drogenpolitik sind dies Drogenkonsumräume, mehr sozialpädagogische Betreuung und keine gerichtlich verordneten Therapien, die bei fehlendem inneren Antrieb keine Erfolgsaussicht haben und stattdessen Plätze für Therapiewillige blockieren würden.

Hinsichtlich der Obdachlosigkeit kam der Wunsch nach einem Haus für Obdachlose zum Selberrenovieren, nach kostenlosen Schließfächern für Obdachlose aufgrund der allgegenwärtigen Gefahr, ausgeraubt zu werden, einer deutlichen Verbesserung der Zustände in den Obdachlosenpensionen und weniger Bürokratie beim Umgang mit Ämtern zur Sprache.

Unter den Teilnehmer waren auch der Landtagsabgeordnete Arif Tasdelen, die StadträtInnen Thorsten Brehm, Vorsitzender der NürnbergSPD, Christine Kayser(„Altstadt-Stadträtin“), Sonja Bauer (sozialpolitische Sprecherin) und Ilka Soldner (zuständig für die Südstadt).

Alle waren beeindruckt und auch bewegt von den Schilderungen der beiden Stadtführer, die ihr Leben wieder in die Hand genommen haben und heute sehr bewusst und selbstbestimmt leben. Berührend auch die Schlussworte von Klaus Billmeyer: „Ich bin ein reicher Mann – dank Euch. Weil Ihr mir Eure Zeit und Euer Interesse schenkt. Man sieht sich im Leben ja immer zweimal und ich hoffe auf ein Wiedersehen und weitere Gespräche.“

Angesichts der aktuellen Debatte um die Verdrängung der Obdachlosen- und Drogenszene aus dem Hauptbahnhof regt Gabriela Heinrich an, die Betroffenen stärker bei der Suche nach Lösungen und Auswegen einzubeziehen: „Der soziale Zusammenhalt ist das höchste Gut in unserer Stadtgesellschaft. Wir können unsere Probleme nur gemeinsam lösen. Manchmal macht es Sinn, eine andere Perspektive einzunehmen. Die Schichtwechsel-Führungen des Straßenkreuzers bieten hierzu eine hervorragende Möglichkeit.“

Siehe hierzu auch: www.strassenkreuzer.info/stadtfuehrungen/schicht-wechsel