Keine Opernhaus-Interimslösung im Innenhof der Kongresshalle!

Ein Diskussionsbeitrag des AK gegen Rechts der SPD Nürnberg

  • von  AK gegen Rechts der SPD Nürnberg
    03.12.2021
  • Beiträge [Partei], AK Gegen Rechts

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Naziherrschaft trat die Stadt Nürnberg ein schweres Erbe an. Auf ihr lastete der Schandfleck, „Stadt der Reichsparteitage“ der NSDAP und „Stadt der Rassengesetze“ zu sein. Hier inszenierten sich die Nazis bei den Aufmärschen anlässlich der Parteitage, huldigten ihrem „Führer“. In Nürnberg wurden die Rassengesetze beschlossen, die die Grundlage für einen unvorstellbaren und industriell organisierten Völkermord lieferten.

Nürnberg war auch die Stadt der Kriegsverbrecherprozesse nach Ende des Krieges, hier wurden erstmals führende Repräsentanten eines verbrecherischen Regimes vor Gericht gestellt und verurteilt.

Lange tat sich Nürnberg dann schwer, mit den aus der Nazizeit übrig gebliebenen Bauwerken, der Kongresshalle und dem Zeppelinfeld mit seiner Tribüne, umzugehen. Die Kongresshalle wurde unterschiedlich genutzt: bis heute als Lager, eine Bauausstellung fand dort statt, die Stadt beging dort ihren 900. Geburtstag. Immer wieder wurde ein Abriss diskutiert, aber auch die Umgestaltung zu einem Fußballstadion oder zu einem gigantischen Einkaufszentrum stand eine Zeitlang im Raum. An Abriss war dann spätestens 1973 nicht mehr zu denken. In diesem Jahr deklarierte der Freistaat Bayern die Hinterlassenschaften der NS-Diktatur für geschichtsrelevant und erhaltenswert. Doch Nürnberg wusste mit dem größten erhaltenen Bauwerk des Dritten Reichs immer noch nichts anzufangen.

Erst 1979 begann ein Umdenken: man wollte die Gebäude nutzen, um über den Nationalsozialismus aufzuklären und politische Bildungsarbeit zu leisten. Nürnbergs Kulturreferent Hermann Glaser beauftragte eine Arbeitsgruppe mit dem Konzept einer Ausstellung zur Geschichte des Reichsparteitagsgeländes. Daraus entstand die Ausstellung „Faszination der Gewalt“ und letztendlich das Dokuzentrum in der Kongresshalle. Damit bot sich die Möglichkeit, alten und neuen Mythen und Legendenbildungen entgegenzutreten. An diesem Ort war und ist es möglich, die »Motivationsmaschinerie« des Nationalsozialismus zu analysieren. Und der Frage nachzugehen, wie es möglich war, dass so viele Menschen dem Treiben der Nationalsozialisten zustimmend bzw. mindestens duldend zusahen oder sich gar aktiv beteiligten. Es wurden Methoden entwickelt, den zig-tausenden Besucher*innen aus aller Welt, die jedes Jahr kommen und die den Nationalsozialismus nicht aus eigener Erfahrung kennen, zu vermitteln, wie das System funktionierte, wie die Faszination der Gewalt funktionierte.

Die Kongresshalle ist somit kein beliebiger Ort, sie spielt in der Vermittlung von wichtigem Wissen über die NS-Zeit - so wie das ganze Reichsparteitagsgelände - eine wichtige Rolle.

Und dass es gerade in der heutigen Zeit wichtig ist, darüber aufzuklären, wohin Rassismus und Faschismus führen, erleben wir tagtäglich. Die rassistischen Morde der Terroristen des NSU, aber auch ganz aktuell Vorgänge wie die großen PEGIDA-Demonstrationen in den vergangenen Jahren, die rassistischen Anschläge von Rechtsterrroristen in Halle und Hanau, die Versuche von Neonazis, sogar wieder mit Fackeln auf dem Parteitagsgelände aufzumarschieren, all das macht deutlich, dass noch viel politische Bildungsarbeit zu leisten ist. Und zurzeit wird das noch schlimmer: seit Beginn der Pandemie meinen Querdenker und ihr Umfeld, sie seien heute genauso verfolgt wie die Juden in der Nazizeit, „fühlen sich als Sophie Scholl“ und damit als „Widerstandskämpfer gegen eine Corona-Diktatur“, heften sich gelbe Sterne mit der Aufschrift „ungeimpft“ an, interpretieren die Geschichte in einer extrem antidemokratischen Art und Weise um, relativieren damit den Holocaust und die Verbrechen der Nazis.

Und bei dieser enorm wichtigen politischen Bildungsarbeit spielen auch die von den Nazis hinterlassenen Gebäude eine wichtige Rolle. Sie machen den Größenwahn erfahrbar, aber auch die Endlichkeit des so genannten „Tausendjährigen Reichs“.

Deshalb sind wir gegen eine Nutzung des Innenhofs der Kongresshalle für eine OpernhausInterimslösung. Denn wenn diese Fläche - auch nur teilweise - verbaut wird, wird der Gesamteindruck zerstört. An keinem anderen Ort kann den jährlich über 100.000 Besucher*innen der Größenwahn und das Scheitern der NS-Diktatur derart greifbar vermittelt werden, wie hier – im Innenhof der Kongresshalle. Eine Ausweichspielstätte der Oper im bewusst leergeräumten Innenhof ist problematisch für die Geschichts- und Erinnerungsarbeit. Der leere Innenhof ist Lernort und Denkmal, stellt der Verein „Geschichte für alle“ sehr richtig fest: „Der KongresshallenInnenhof ist keineswegs „öde und vernachlässigt“ und könne „gebäudlich wie inhaltlich befüllt“ werden, wie OB Marcus König in einer Stellungnahme zur „Ausweichspielstätte Opernhaus“ schreibt. Ein, durch einen Neubau, der an seiner höchsten Stelle nahezu die Höhe der Kongresshalle erreichen wird, verstellter Raum und eine Vielzahl eingebauter Fenster würden den erinnerungskulturellen Denkmalwert ein für allemal zerstören“.

Deshalb wenden wir uns als Arbeitskreis gegen Rechts der SPD Nürnberg gegen den Versuch, durch einen Stadtratsbeschluss am 15. Dezember 2021 Fakten zu schaffen. Eine Entscheidung zu treffen ohne Einbeziehung der Verbände und Personen, die tagtäglich seit vielen Jahren vor Ort politische Bildungsarbeit betreiben, st nicht hinnehmbar. Wir verlangen die Verschiebung der Entscheidung und einen vorherigen intensiven Diskussionsprozess mit allen beteiligten Gruppen und mit der Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Nürnberg.

Rüdiger Löster

Katrin Sattler

Katja Zerbian

Sprecher*innen des AK gegen Rechts der SPD Nürnberg

Kontakt: akgegenrechts@spd-nuernberg.de