23. Juli 2016 | Historisches

Das andere SPD-Haus

Kein Alt-Text zur Verfügung gestellt. Quelle: Fränkische Verlagsanstalt und Buchdruckerei GmbH
Außenaufnahme Gebäude Breite Gasse 25/27

150 Jahre Sozialdemokratie in Nürnberg. Das ist mehr als nur die Geschichte einer Partei. Es ist auch die Geschichte der Stadt Nürnberg, ihrer Bewohner und ihrer Besucher.

Mit der Reihe „Historische Orte der Sozialdemokratie in Nürnberg“ der Historikerin Kerstin Pommereit wollen wir das Jubiläumsjahr 2016 einläuten und Ihnen monatlich diese Geschichten näherbringen.

Hier können Sie die sechste Ausgabe dieser Reihe lesen!


Das andere Nürnberger SPD-Haus

von Kerstin Pommereit

Spricht man heute vom SPD-Haus, denkt fast jedermann an das Karl-Bröger-Haus in der
Nürnberger Südstadt. Ältere Zeitgenossen kennen dieses Haus auch noch als „Tagespost“, als das
Karl-Bröger-Haus noch Verlagsgebäude der sozialdemokratischen Tageszeitung „Fränkische
Tagespost“ gewesen ist. Doch es gibt noch ein anderes Gebäude, das ebenfalls beides gewesen ist:
Sitz der Nürnberger SPD und Verlagsgebäude. Das Haus hat die Bombenangriffe überstanden und
steht immer noch – in der Breiten Gasse 25/27.

Zwei Aspekte lassen sich mit der Geschichte des Hauses gut erklären: Die Entwicklung einer der
wichtigsten sozialdemokratischen Zeitungen, die der „Fränkischen Tagespost“ und die Situation in
Nürnberg, kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges.

Erfolgsgeschichte der „Fränkischen Tagespost“

Bis die „Fränkische Tagespost“ 1908 in das Haus in der Breiten Gasse zog, hat die Zeitung in Nürnberg
ihren Standort ähnlich oft gewechselt wie ihren Titel. Angefangen mit der ersten Ausgabe als
„Fürther Demokratisches Wochenblatt“ im Jahre 1871 hatte die Zeitung, die damals noch
wöchentlich erschien, ihr Zuhause in der Vorderen Ledergasse 260. Nach nur fünf Monaten bezog die
Druckerei ein Haus in der Jakobstraße 28, dann ging es weiter in die Bergstraße 3. Zu dieser Zeit
(1874) wurde die Zeitung in „Social-Demokratisches Wochenblatt“ umbenannt. Weiter ging es in die
Obere Schmiedgasse 15 und nur wenige Monate später folgte eine erneute Umbenennung der
Zeitung in „Nürnberg-Fürther Social-Demokrat“. In der Zeit, als Grillenberger das Blatt in „Fränkische
Tagespost“ umbenannte, um trotz der Sozialistengesetze weiter erscheinen zu können, wurde in der
Waizenstraße 12/14 gedruckt. Im Jahre 1900 war der Verlag der „Fränkischen Tagespost“, die bis
heute existierende „Fränkische Verlagsanstalt & Buchdruckerei“ finanziell so gefestigt, das man sich
ein eigenes Gebäude bauen konnte, in der Luitpoldstraße 9. Nur acht Jahre später benötigte der
Verlag noch mehr Platz und das Haus in der Breiten Gasse entstand. Die Geschichte der „Fränkischen
Tagespost“ ist also eng verbunden mit der Geschichte der Nürnberger SPD. Die Tatsache, dass man
aufgrund steigender Auflagenzahlen immer mehr Platz benötigte und sich schließlich sogar ein
eigenes Verlagsgebäude bauen konnte, ist ein anschauliches Merkmal für die Erfolgsgeschichte der
Nürnberger SPD. Die Zeitung erlangte zudem mehr und mehr überregionale Bedeutung und weit
über die Grenzen Nürnbergs hinaus gelesen.

Krawalle am Beginn der Weimarer Republik

Während der unruhigen Zeiten nach Ende des Ersten Weltkrieges war das Haus zweimal Schauplatz
von gewalttätigen Übergriffen. Am 7. Dezember 1918 hatte es eine Demonstration vor dem
Arbeitsamt (damals noch am Fünferplatz) gegeben. Dort war es bereits zu Angriffen auf Vertreter der
MSPD gekommen. Der Demonstrationszug bewegte sich alsbald in Richtung des Verlagsgebäudes in
der Breiten Gasse. Der dort anwesende Chefredakteur Dr. Adolf Braun (MSPD) wurde sogar kurzzeitig
von den Demonstranten festgehalten. Einige Monate später, so berichtet Martin Treu in seinen
Erinnerungen, besetzte eine Gruppe von Spartakisten das Haus in der Breiten Gasse und verletzte
den anwesenden Geschäftsführer so schwer, dass er wenige Wochen später verstarb. Ebenso
berichtet Treu von Verhandlungen über eine neue Bayerische Regierung nach der Ermordung von
Kurt Eisner. Diese Verhandlungen gestalteten sich äußerst schwierig und langwierig. Schließlich
einigten sich die Verhandlungsführer darauf, dass Johannes Hoffmann (SPD) eine Regierung bilden
sollte.

Treu über beide SPD-Häuser

Martin Treu hat selbst elf Jahre (1919 bis 1930) in dem „alten“ SPD-Haus in der Breiten Gasse
gewohnt. In seinen Erinnerungen schreibt er über beide – das „alte“ und das „neue“ SPD-Haus: „Das
Haus in der Ziegelgasse [gemeint ist das heutige Karl-Bröger-Haus, die Karl-Bröger-Straße hieß
damals Ziegelgasse] wurde unter meiner Mitwirkung erbaut, beide Anwesen waren mir daher lieb
und teuer.“ Die Machtübernahme der Nationalsozialisten schildert er ebenfalls: „Als in der (…) Nacht
die Gebäude und die Einrichtungsgegenstände der `Fränkischen Verlagsanstalt und Buchdruckerei
GmbH´ vollständig demoliert wurden, erlitt ich einen schweren Nervenzusammenbruch.“
Heute ist in dem Haus in der Breiten Gasse unter anderem ein Schuhgeschäft untergebracht.

Literatur

100 Jahre SPD. Von Lassalle bis Ollenhauer. Episoden aus der Nürnberger Arbeiterbewegung, von
Wilhelm Riepekohl, Nürnberg 1963, S. 31.

Quellen

Martin Treu. Rückblick auf Leben. 1947/1948 (Privatbesitz)
Aus vergangen Zeiten. Die Vorläufer der Fränkischen Tagespost 1871 bis 1878. Ein Beitrag anlässlich
des Einzuges in das neue Verlagsgebäude Ziegelgasse 9. Oktober 1930 (Fränkische Verlagsanstalt und
Buchdruckerei GmbH)

Quelle: Fränkische Verlagsanstalt und Buchdruckerei GmbH
Außenaufnahme Gebäude Breite Gasse 25/27
privat
Das Haus in der Breiten Gasse heute