Forderungskatalog der Nürnberger SPD

Forderungskatalog an die Mitglieder im DeutschenBundestag und an die neue Bundesregierung um Zukunftsfähigkeit sicherzustellen

  • von  Redaktionsteam
    28.10.2013
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Aktuell werden die Weichen gestellt, wer Deutschland die nächsten vier Jahre regieren wird. Sowohl die Sozialdemokraten, als auch die Union haben dabei in ihren Wahlprogrammen Unterstützung für die Kommunen in der Zukunft zugesichert. Nun geht es darum, den Worten in den Wahlprogrammen auch Taten folgen zu lassen. Egal welche politische Konstellation letztlich regieren wird, die neue Regierung hat die Pflicht für die Zukunftsfähigkeit der Kommunen zu sorgen. Die Städte und Gemeinden müssen gestärkt werden sowie deren Handlungsfähigkeit sichergestellt sein.

Die Nürnberger SPD beschließt daher einen Forderungskatalog an die Mitglieder im Deutschen Bundestag und an die neue Bundesregierung um genau diese Zukunftsfähigkeit sicherzustellen.
Kommunalpolitik muss einen zentralen Stellenwert im Regierungshandeln erhalten:

1. Sozialausgaben: Kommunen zügig um 4 bis 5 Mrd. Euro entlasten


Die dramatische Finanzlage vieler Städte, Gemeinden und Kreise und die zunehmende Drift zwischen reichen und armen Kommunen gefährdet die soziale Stabilität in unserem Land. Tätig werden muss hier vor allem auch der Bund, indem er zuvorderst die Ursachen in Form wachsender Sozialausgaben bekämpft. Als zentrales Vorhaben der anstehenden Legislaturperiode fordern wir deshalb eine stärkere Bundesbeteiligung an diesen Ausgaben. Eine zügige Reform der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ist hierbei zwingend. Sie muss spätestens ab 2015 zu einer finanziellen Entlastung der Kommunen im Umfang von mindestens vier bis fünf Mrd. Euro pro Jahr führen und gleichzeitig mit der dynamischen Ausgabenentwicklung Schritt halten. Wir unterstützen die Einführung eines Bundesleistungsgesetzes, das die bisherigen Regelungen zur Eingliederungshilfe auch inhaltlich weiterentwickelt. Dauerhaft muss sich der Bund an weiteren Sozialleistungen solidarisch beteiligen.

2. Steuerpolitik: Gewerbesteuer stärken, Grundsteuer gerecht und ertragsstark reformieren


Zukunftsinvestitionen, Infrastrukturerhalt und Konsolidierung lassen sich nicht nebenbei finanzieren. Sollen keine neuen Schulden gemacht werden, bedarf es einer Verstärkung der öffentlichen Einnahmekraft, wie sie im Steuer- und Abgabenkonzept der SPD vorgesehen ist. Stabile Einnahmen müssen die Kommunen zum Abbau der Schulden und des entstandenen Investitionsstaus einsetzen können. Steuersenkungen ohne Gegenfinanzierung lehnt die wir dagegen ab. Ebenso ist allen Plänen zur Abschaffung der Gewerbesteuer von vornherein eine klare Absage zu erteilen. Erforderlich ist stattdessen ihre Weiterentwicklung nach dem Kommunalmodell sowie eine wertorientierte Reform der Grundsteuer, die deren Ertrag stärkt und örtliche Steuerungsmöglichkeiten ausbaut.

3. Verschuldung: Altlasten gemeinsam tragen, Refinanzierung absichern


Neben Sozialkostenbeteiligung und stabilen Einnahmen brauchen wir als dritten Baustein gesicherter Kommunalfinanzen die solidarische Entschuldung und verlässliche Refinanzierung von Städten, Gemeinden und Kreisen. Auch hier drängt die Zeit. Obwohl der Kommunalkredit die zentrale Finanzierungsform der Kommunen bleibt und die Insolvenzunfähigkeit der Kommunen unbestritten ist, gefährden Basel III, Rating-Diskussion und Margendruck der Banken das bestehende System. Zudem würden steigende Kreditkosten anderweitige Entlastungseffekte kompensieren. Deshalb ist den Kommunen Zugang zu Bund- Länder-Anleihen zu gewähren. Wenn sie damit das Top-Rating und die Bonität des Bundes sowie seine langfristig günstigen Finanzierungsformen nutzen könnten, würden die Finanzierungskosten sinken und der Liquiditätszugang verbessert werden. Ferner muss ein Altschuldenfonds für Verbindlichkeiten der Länder und des Bundes die Kommunalschuld einbeziehen.

4. Infrastruktur: Gesamtstaatliche Finanzierung erhalten, finanzschwachen Kommunen helfen

Wir fordern einen längerfristigen Investitionspakt von Bund und Ländern mit einem Volumen von mindestens 2 Mrd. Euro pro Jahr. Er richtet sich an die Kommunen und darunter vor allem an finanzschwache und strukturell belastete Städte, Gemeinden und Kreise. Der Pakt muss Regelungen beinhalten, die auch bei Haushaltsnotlage eine Teilhabe gestatten und auf andere Programme anwendbar sind (Eigenanteilfonds). Die Unterstützung von Kommunen mit Konversionslasten und in strukturschwachen Regionen ist zu ermöglichen. Ferner muss die Bundesbeteiligung an der Mitfinanzierung der kommunalen Verkehrsinfrastruktur einschließlich der Erhaltungsinvestitionen gesichert werden. Für den Zeitraum bis 2019 erwarten wir eine Beteiligung an den GVFG-Länderprogrammen von jährlich rund 2 Mrd. Euro - weiterhin mit Zweckbindung und für die Grunderneuerung der kommunalen Verkehrsinfrastruktur einsetzbar. Das Bundesprogramm muss außerdem über 2019 hinaus fortgeführt werden, um Investitionssicherheit zu gewährleisten. Für die Zeit ab 2020 sind Regelungen für eine langfristig verlässliche Bundesbeteiligung notwendig.


5. Wohnen und Stadtentwicklung: Bezahlbare Mieten sichern, auf regionale Herausforderungen reagieren


Bezahlbares Wohnen ist für die soziale und ökonomische Stabilität unserer Städte und Gemeinden unverzichtbar. Deshalb zielen unsere mietpolitischen Forderungen auf eine stärker regionalisierte Begrenzung von Mieterhöhungen. Dazu muss die Modernisierungsumlage auf 9% abgesenkt, bei Altmietverträgen der Erhöhungsspielraum auf 15% in vier Jahren begrenzt und beim Abschluss von Neumietverträgen im Bestand eine 10%ige Kappungsgrenze oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete eingeführt werden. Mietwucher nach dem Wirtschaftsstrafrecht muss besser geahndet werden. Die Städtebauförderung und insbesondere das Teilprogramm "Soziale Stadt" müssen wieder verlässlich mit Mitteln in Höhe von insgesamt mindestens 700 Mio. Euro im Jahr ausgestattet werden. Ein Schwerpunkt der Städtebauförderung muss in der Förderung quartiersbezogener integrierter Stadtteilentwicklungskonzepte und deren Umsetzung liegen. Die Mittel des Bundes für die soziale Wohnraumförderung müssen auch bis 2019, der Höhe nach, weiter zweckgebunden erhalten werden.


6. Kinderbetreuung und Ganztagsbetreuung: Ausbau und Betrieb solidarisch finanzieren


Wir fordern einen weiteren Ausbau der Bildungs-, Ganztags- und Betreuungsinfrastruktur in den Kommunen. Dies stärkt den sozialen Zusammenhalt und die wirtschaftliche Leistungskraft unserer Gesellschaft. Hierzu wird eine bedarfsgerechte und solidarische Finanzierung aller staatlichen Ebenen nach dem Grundsatz der Konnexität benötigt. Dies gilt insbesondere für die Sicherstellung des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz für unter Dreijährige. Der weitere Anstieg der zugehörigen Nachfrage erfordert, dass sich auch der Bund weiterhin und noch stärker engagieren muss. Dies gilt vor allem für eine bedarfsgerechte Erhöhung der Beteiligung an steigenden Betriebskosten und schließt eine adäquate Personalausstattung und Bezahlung von Fachkräften ein. Deshalb müssen in einem ersten Schritt, die bei Abschaffung des Betreuungsgeldes frei werdenden Mittel, vollständig in den Kitaausbau fließen.


7. Integration: Zuwanderung als Gemeinschaftsaufgabe begreifen und vor Ort gestalten


Die Integration zugewanderter Menschen ist eine Chance für unser Land und geschieht vor Ort in den Kommunen. Zugleich liegen jedoch die maßgeblichen Rahmenbedingungen vollständig außerhalb der örtlichen Gestaltungsmacht. Deshalb muss Integration als gesamtgesellschaftliche Aufgaben begriffen und gesamtstaatlich getragen werden. Es sind die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass vor Ort Integration sofort beginnen kann und die dafür benötigten Ressourcen zur Verfügung stehen. Gerade mit Blick auf die anhaltende Armutszuwanderung aus Südosteuropa und steigende Asylbewerberzahlen steht der Bund in der finanziellen Verantwortung, die betroffenen Kommunen mit einem Sofortprogramm zu unterstützen. Wir fordern dazu ESF-Mittel des Bundes, einen Soziallastenausgleich für erhöhte Aufwendungen (z. B. über eine erhöhte KdU-Beteiligung des Bundes), einen eigenen Schwerpunkt im Programm "Soziale Stadt" sowie zusätzliche Personal- und Integrationsmittel im SGB II. Hinzutreten müssen ordnungsrechtliche Maßnahmen dort, wo Leistungsmissbrauch, kriminelle Strukturen und Ausbeutung die Integration behindern und zulasten der Zuwandernden gehen. Im europäischen Rahmen bedarf es einer klaren Problemansprache gegenüber den Herkunftsländern, die die Lebensverhältnisse der Menschen in ihrer Heimat verbessern müssen.

8. Grundsicherung: Vorgelagerte Sicherungssysteme stärken, das SGB II weiterentwickeln


Wir fordern eine Weiterentwicklung der sozialstaatlichen Handlungslogik hin zu mehr Vorsorge und wirkungsorientierter Steuerung. Unser Anspruch muss es sein, frühzeitig dafür zu sorgen, dass Menschen erst gar nicht in eine umfassende Abhängigkeit von staatlichen Transfers geraten. Erwerbstätige Personen sollen mit ihren Familien möglichst lange nicht auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sein. Dies verlangt - wie u. a. vom Deutschen Städtetag gefordert - acht Jahre nach der Einführung des SGB II dessen Überprüfung und Weiterentwicklung. Insbesondere müssen die vorgelagerten Systeme gestärkt werden. So ist das Wohngeld an die tatsächliche Mietenentwicklung anzupassen, der Übergang vom SGB III in das SGB II zu verlängern und die Unterstützung von Kindern zu verbessern. Im SGB II sind örtliche und individuelle Handlungsansätze und die sozialintegrative Ausrichtung zu stärken. Zugleich müssen wir jenen Menschen eine öffentlich geförderte Beschäftigung bieten, die derzeit und absehbar auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben. Investitionen in präventive Ansätze mit klaren inhaltlichen und finanziellen Zielen bedürfen geeigneter haushaltsrechtlicher Regelungen und der Projektförderung durch Bund und Länder.


9. Energie und Klimaschutz: Die kommunale Rolle stärken, den Umbau vernünftig gestalten


Keine Energiewende ohne starke Kommunen, Stadtwerke und dezentrale Strukturen. Deshalb muss ein Markt- und Ordnungsmodell entwickelt werden, das für noch längerfristig erforderliche - vor allem neue, flexibel reaktionsfähige - Kapazitäten konventioneller Kraftwerken eine hinreichende Wirtschaftlichkeit darstellt und auf die jeweils erreichte Marktintegration erneuerbarer Energien schrittweise reagieren kann. Kurzfristig ist die Sicherung von Reservekapazitäten durch den Staat zumindest für Höchstlastzeiten erforderlich. In diesem Markt- und Ordnungsmodell müssen die Belange der Erneuerbaren Energien genauso berücksichtigt sein wie die der mittelfristig notwendigen konventionellen Produktion. Wir fordern die Bildung eines Energieeffizienzbudgets als neuen Förderweg, das in den Kommunen für die quartiersbezogene, energetische Erneuerung auf Basis integrierter Energiekonzepte eingesetzt werden kann. Die Bundes-SGK setzt sich ferner für eine Sicherung der Höhe der Konzessionsabgaben für die Kommunen ein. Hierzu ist eine Novellierung der Konzessionsabgabenverordnung mit einer mengenunabhängigen Konzessionsabgabe anzustreben. Durch eine Weiterentwicklung der Netzentgeltregulierung an die Erfordernisse des Netzausbaus sowie deren informationstechnische Unterlegung müssen bessere Investitionsanreize für die Verteilernetze gesetzt werden. Das Energiewirtschaftsrecht ist so zu novellieren, dass das Recht auf kommunale Selbstverwaltung im Konzessionswettbewerb gestärkt wird.


10. Föderalismus: Mehr Kooperation ermöglichen und Kommunen beteiligen


Die geltende Verfassungslage erschwert das problem- und lösungsorientierte Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen. Der Ausschluss von Mischfinanzierung und Mischverwaltung sowie die enge Reglementierung der Bundesbeteiligung an Leistungsgesetzen behindern oftmals eine sachgemäße Aufgabenerledigung und gehen regelmäßig zu Lasten der kommunalen Ebene. Deshalb sollten - über den Bildungsbereich hinaus - die freiwillige Zusammenarbeit aller gebietskörperschaftlichen Ebenen in zentralen Feldern (Ganztagsschulen, Pflege, Eingliederungshilfe usw.) sowie Finanzzuweisungen des Bundes unmittelbar an die Kommunen ermöglicht werden. Dies trägt wesentlich zum Erhalt und Ausbau eine  kooperativen und solidarischen Föderalismus bei. Er ist für den Erhalt gleichwertiger Lebensbedingungen unverzichtbar und bildet damit eine Grundlage der ökonomischen Leistungskraft unserer Gesellschaft.
Dies muss sich im Übrigen mit einer wirksamen Beteiligung der Kommunen an gesamtstaatlichen Entscheidungsprozessen verbinden. So hält die Bundes-SGK unverändert die verbindliche und substanzielle Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände im nationalen Stabilitätsrat für geboten. Aufgrund der hohen Relevanz für die kommunalen Haushalte und ihre Bedeutung für die Einhaltung der gesamtstaatlichen Defizitziele stärkt die Einbindung die ebenen übergreifende Koordination in der Fiskalpolitik, ohne das verfassungsgemäße Verhältnis von Bund, Ländern und Gemeinden einzuschränken. Wir begrüßen vor diesem Hintergrund auch die, in der vergangenen Legislaturperiode verbesserte, Stellung der Spitzenverbände im Gesetzgebungsverfahren des Bundestags, halten weitergehende Beteiligungsformen für wünschenswert und unterstützen nachdrücklich einen eigenständigen Ausschuss des Parlaments für kommunale Belange.

und hier finden Sie den offenen Brief an die Nürnberger Bundestagsabgeordneten...