150 Jahre Sozialdemokratie in Nürnberg. Das ist mehr als nur die Geschichte einer Partei. Es ist auch die Geschichte der Stadt Nürnberg, ihrer Bewohner und ihrer Besucher.
Mit der Reihe „Historische Orte der Sozialdemokratie in Nürnberg“ der Historikerin Kerstin Pommereit wollen wir das Jubiläumsjahr 2016 einläuten und Ihnen monatlich diese Geschichten näherbringen.
Hier können Sie die siebte Ausgabe dieser Reihe lesen!
Historische Orte der Sozialdemokratie in Nürnberg
Die Nürnberger Meistersingerhalle ist freilich kein Ort der zuerst mit der Nürnberger SPD in
Verbindung gebracht wird. 1963 unter SPD-Bürgermeister Andreas Urschlechter erbaut, wurde sie
nach der Nürnberger Tradition der Meistersinger benannt, der Richard Wagner mit seiner Oper „Die
Meistersinger von Nürnberg“ ein Denkmal gesetzt hatte. Ihr Bau war dringend notwendig geworden,
da Nürnberg nach dem Zweiten Weltkrieg kaum über einen großen Saalbau verfügte, in dem
Konzerte oder große repräsentative Veranstaltungen stattfinden konnten. Luitpoldhalle und
Hercules-Velodrom waren bei den Luftangriffen auf die Stadt zerstört worden.
Massive Proteste vor SPD-Bundesparteitag in der Meistersingerhalle
Bundesweit Schlagzeilen machte aber eine SPD-Veranstaltung in der Meistersingerhalle: Der SPD-
Bundesparteitag von 1968, der aufgrund der massiven Proteste gegen die Notstandsgesetze in die
bundesdeutsche Geschichte eingehen sollte. Nach den Parteitagen der Jahre 1868, 1922, 1946 war
das der vierte Parteitag, den die Sozialdemokraten in Nürnberg vom 17. bis 21. März 1968
stattfinden ließen. Schauplatz war die zu diesem Zeitpunkt erst fünf Jahre alte Meistersingerhalle.
Viel Prominenz war vor Ort: Neben den Politgrößen der Partei Willy Brandt, Herbert Wehner und
Helmut Schmidt, war auch Günter Grass nach Nürnberg gekommen. Doch die Proteste gegen die
geplanten Notstandsgesetze, die die Befugnisse des Staates im Krisenfall ausweiten und die
Grundrechte einschränken sollten, trübten den Parteitag, den Willy Brandt als „Parteitag des
Umbruchs“ tituliert hatte. Im Jahresbericht der Nürnberger SPD heißt es dazu: „Es war schade, daß
sich während dieser feierlichen Eröffnung vor der Meistersingerhalle tumultartige Szenen abspielten.
Mit Omnibussen waren Demonstranten (…) nach Nürnberger gekarrt worden. (…) Da ein Eindringen
in den Saal nicht möglich war, hielt man sich an den Dekorationen schadlos. Fahnenmasten wurden
herausgerissen, SPD- und Länderfahnen, sowie Transparente verbrannt. Das Ergebnis war, einige
Verhaftungen und neun verletzte Polizeibeamte.“ Herbert Wehner, so erzählt man sich bis heute,
habe von einem wütenden Demonstranten sogar eine Ohrfeige bekommen. Gegen Lilo Seibel-
Emmerling wurde ein Parteiordnungsverfahren angestrebt, weil sie den Notstandsgesetzen ebenfalls
kritisch gegenüber stand. Das Verfahren wurde schließlich eingestellt.
Ball der Jusos
Übrigens, die Nürnberger Jusos waren mit die ersten, die die nagelneue Meistersingerhalle nutzten.
Gleich im Eröffnungsjahr feierten sie dort ihren Juso-Ball. Die Plakate dafür illustrierte der
bundesweit bekannte Nürnberger Künstler Michael Mathias Prechtl. Zuletzt hielt die Bundes-SPD im
Jahr 2001 einen Parteitag in der Nürnberger Meistersingerhalle ab. Jährlich finden dort um die 800
Veranstaltungen statt. Sie steht auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände, das insgesamt elf
Quadratkilometer umfasst.
Literatur
Deshalb, Parteigenossen! Frisch ans Werk! Werbt neue Kämpfer, neue Streiter. 120 Jahre SPD-
Nürnberg. Ein historischer Überblick. Presserechtlich verantwortlich: Horst Schmidbauer.
Manuskript: I. Röschlau. Nürnberg, Mai 1986, S. 69 ff.
Der Nürnberger Weg. Eine Stadtgeschichte in Bildern und Texten 1945 – 1995, Nürnberg 1995, S. 79.
Quelle
SPD Nürnberg, Jahresbericht 1968, Nürnberg 1968.
1868 Nürnberg. Parteitag 1968. Nürnberg 17. – 21. März, Meistersingerhalle, Nürnberg 1968.
Bilder
Privatbesitz Edeltraud Görl
Bildarchiv NN
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