"München strahlt, aber Nürnberg lebt"

Neu-N-Veranstaltung zur Zukunft der Industrie„München strahlt, Nürnberg lebt“

volles Haus bei der SPD-Veranstaltung

Betrachtet man die aktuelle Situation der Nürnberger Industrie, scheint alles in bester Ordnung zu sein. Während im Jahr 2009 im verarbeitenden Gewerbe 39.100 Menschen beschäftigt waren, zählte man im Oktober 2011 schon 40.400 Beschäftigte – und das obwohl die Zahl der Betriebe sogar leicht sank. Alles in Ordnung also für den Arbeitsmarkt und den Industriestandort Nürnberg? Keine Spur mehr vom Strukturwandel und den bitteren Betriebsschließungen von Grundig oder AEG? „Nicht unbedingt", sagt die wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD-Stadtratsfraktion Katja Strohhacker „denn die Industrie-Kultur hat sich deutlich gewandelt. Das, was wir früher mit Industrie verbanden, lärmende Fabriken und rauchende Schornsteine, entspricht nicht mehr dem Bild, das in den meisten Nürnberger Betrieben heute zu sehen ist."

Unter dem Titel „Die Industrie in Nürnberg – Auslaufmodell oder Zukunftsmotor?" hatte sie deshalb zu einem Termin der Veranstaltungsreihe neu-N (www.neu-N.de) geladen. Gesucht wurden Handlungsempfehlungen für die Kommunalpolitik, um deren „kleinen Aktionsspielraum zum Bauen eines Zukunftsmotors nutzen zu können", wie Strohhacker sagt. Unter der Moderation von Klaus Wonneberger, dem Leiter der Wirtschaftsredaktion der Nürnberger Nachrichten, wurden die gewünschten Antworten in einer bunt besetzten Talk- Runde ohne politische Beteiligung geliefert.

Lutz Eigenhüller vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung stellte heraus, dass in den Betrieben des produzierenden Gewerbes zwar immer noch mehr Arbeiter zu finden sind, die keinen Berufsabschluss haben als in anderen Branchen. Doch der durch den Strukturwandel ausgelöste Trend zur Höherqualifizierung ist längst auch in der Industrie angekommen. Diesen Befund bestätigte für die Firma Siemens der Leiter ihres hiesigen Regionalreferates Heinz Brenner. Von den rund 160.000 Männer und Frauen, die bei Siemens in Deutschland arbeiten, sind nur etwa drei Prozent unqualifizierte Kräfte.

Diejenigen, die entlassen werden und keine Abschlüsse vorweisen können, haben meist schlechte Karten, konstatierte der erste Bevollmächtigte der IG Metall Andreas Weidemann. Für sie bliebe oft nur der Wechsel in einfachste Dienstleistungen, Jobs mit Niedriglöhnen oder Zeitarbeitsverträge. Nicht immer passen somit am Arbeitsmarkt die Anforderungen und die Qualifikationen zusammen. Dies zu ändern und bereits heute auf die Anforderungen der demografischen Entwicklung und eines drohenden Fachkräftemangels zu reagieren, ist auch Aufgabe der Wirtschaftspolitik, wie der Hauptgeschäftsführer der IHK Markus Lötzsch betonte. Er verwies auf Pilotprojekte und neue Angebote etwa für Teilqualifizierungen, um mehr Menschen Chancen zu eröffnen.

„Zu spät und aus der Not geboren", kritisierte IG Metall-Vertreter Weidemann, der für seine Gewerkschaft in Anspruch nahm, den Unternehmen schon seit langem bei diesen Themen auf den Füssen zu stehen. Einig waren sich die Gesprächsteilnehmer, dass die Anstrengungen für mehr Bildungsgerechtigkeit und Bildungschancen erhöht werden müssen. Denn zum einen wohnt die Zukunft Nürnbergs weniger in den wohlhabenden Stadtteilen, sondern mehr in Gostenhof, Gibitzenhof und der Werderau, wie es Siemens-Manager Brenner zuspitzte. Zum anderen konzentriert sich die Wertschöpfung der regionalen Industrie immer stärker auf hochwertige Techno-logien und Produkte in Spitzenqualität.

Darüber hinaus muss die ganze Region Nürnberg mehr für Ihr Image tun, um im Wettbewerb der Regionen weiterhin gut mithalten zu können. „Es darf nicht nur bekannt sein, dass München strahlt, sondern auch das Nürnberg lebt", proklamierte Heinz Brenner stellvertretend für den Wunsch nach einem erfolgreichen Standortmarketing. 

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