Kinderkrippen: Bund, Länder und Kommunen müssen stärker anpacken

Dr. Ulrich Maly, Vorsitzender des Bayrischen Städtetags und Oberbürgermeister von Nürnberg fordert ein "gemeinsames Anpacken"

  • von  Redaktionsteam
    31.05.2012
  • Beiträge [Partei], Dr. Ulrich Maly

"Auch wenn es bei der Finanzierung nun Erleichterungen geben soll, laufen gerade Ballungsräume beim Ausbau von Kinderkrippen Gefahr, dass sich der Rechtsanspruch der Eltern auf einen Betreuungsplatz bis zum 1. August 2013 nicht erfüllen lässt. Bund, Länder und Kommunen müssen sich an einen Tisch setzen, um einen Ausweg zu finden, damit nicht Kommunen mit Klagen und findigen Schadenersatzforderungen überzogen werden", sagt der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly: "Gerade in größeren Städten ist der Bedarf hoch, hier fehlt qualifiziertes Personal. Der Stellenmarkt ist wie leer gefegt. Wegen hoher Mietkosten und hoher Lebenshaltungskosten sind Fachkräfte kaum bereit, in eine Stadt zu ziehen. Und dann fehlen gerade in Städten mit hohen Immobilienpreisen Grundstücke oder geeignete Gebäude für neue Kinderkrippen."

Maly: "Der Ursprung des Problems liegt im Jahr 2007: Ohne Beteiligung der Kommunen haben Bund und Länder beim Krippengipfel des Bundes hehre Ziele samt Rechtsanspruch formuliert. Allerdings sind vor fünf Jahren die Ausbaukosten viel zu niedrig angesetzt worden und der tatsächliche Ausbaubedarf wurde drastisch unterschätzt." Nun besteht die Gefahr, dass Städte und Gemeinden ab August 2013 von Eltern mit Klagen und Forderungen zum Schadenersatz überzogen werden, ohne dass sie überhaupt eine reelle Möglichkeit gehabt hätten, mehr Betreuungsplätze einzurichten. Die als durchschnittliche Zielmarke angenommene Bundesquote von 35 Prozent zur Versorgung von Kindern unter drei Jahren bis zum 1. August 2013 wird erheblich überschritten, sowohl im Landesdurchschnitt als auch in besonders betroffenen Städten. Der Bedarf an Betreuungsplätzen ist in den letzten Jahren erheblich stärker gestiegen, als noch vor wenigen Jahren gedacht worden ist - vor allem in den größeren Städten ist mit Betreuungsquoten zu rechnen mit über 40 Prozent wie in Augsburg, von über 50 Prozent wie in München oder Nürnberg. In Ballungsräumen dürfte der Bedarf inzwischen bei 40 bis 60 Prozent liegen. Maly: "Vor dem Hintergrund der rasant steigenden Bedarfszahlen stellt sich die Frage, ob der Rechtsanspruch bei der vom Bund unterstellten Quote von 35 Prozent tatsächlich erfüllt ist - das lässt sich wohl schon heute verneinen. Selbst bei einer Quote von 50 Prozent könnte die Nachfrage als nicht befriedigt gelten.

Die bayerischen Kommunen werden ihren Verpflichtungen zu einer flächendeckenden Krippenbetreuung auch über eine Quote von 35 Prozent hinaus nachkommen - dafür brauchen sie allerdings ein Moratorium für den Rechtsanspruch."

Der Ausbau der Kinderbetreuung hat bei den Kommunen Priorität. Dies war selbst in Zeiten so, als das Geld knapp war. Maly: "Die Kommunen haben innerhalb von fünf Jahren das Angebot für Kinder unter drei Jahren kräftig erweitert. Damit ist Bayern aus der Schlusslichtposition deutlich nach vorne gerückt. Der Freistaat hat nicht zuletzt durch die Vorleistung der bayerischen Städte und Gemeinden aufgeholt." Im Jahr 2006 betrug der Versorgungsgrad landesweit 7 Prozent, im Jahr 2011 sind es 24 Prozent: Aktuell gibt es in Bayern rund 76.000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren. Das Bayerische Sozialministerium geht davon aus, dass zur Erfüllung des Rechtsanspruchs ab 2013 rund 110.000 Plätze notwendig sein werden; das wäre eine durchschnittliche Versorgungsquote von 36 Prozent. Allerdings schwankt der Bedarf in den kreisfreien Städten Bayerns zwischen unter 30 bis zu 60 Prozent. Maly: "Die Kommunen tragen einen Großteil der Kosten. Bei den Investitionskosten für den Bau neuer Krippen haben Bund und Freistaat die Kommunen bislang gut unterstützt. Beim Großteil der Betriebskosten haben uns Bund und Freistaat bislang im Regen stehen lassen. Investitionskosten fallen einmalig an, Betriebskosten schlagen sich jährlich in den kommunalen Haushalten nieder, etwa für Personal, Heizung und Reinigung. Bei den Investitionskosten brauchen wir eine Fortsetzung der bisherigen Förderung. Der Freistaat muss das bis Ende 2013 laufende Bund-Land-Förderprogramm weiter führen."

Maly: "Bund, Länder und Kommunen müssen stärker anpacken. Dafür braucht es einen neuen Krippengipfel, in dem jährlich regelmäßig Ausbaustand, Ausbauziel und gemeinschaftliche Finanzierung abgeglichen werden. Bund und Länder haben ohne Beteiligung der Kommunen einen Rechtsanspruch formuliert, nun dürfen sich Bund und Länder nicht vor den Kosten drücken. Wir brauchen eine verlässliche Finanzierung der Betriebskosten: Bei dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe sollten sich Bund, Freistaat und Kommunen die Kosten dritteln." Bisher weigert sich der Freistaat, die Konnexität ("wer anschafft, muss auch bezahlen") für den Krippenausbau anzuerkennen. Die Städte fordern, dass die beim Krippengipfel gegebene Zusage, wonach Bund, Land und Kommunen je ein Drittel der zusätzlichen Ausbaukosten zahlen, von Bund und Land eingehalten wird. Während der Freistaat sein Drittel bereits überschreitet, bleibt der Bund dahinter zurück. Es geht nicht an, dass die Kommunen weiterhin über die Hälfte der jährlich anfallenden Betriebskosten tragen.